Zuflucht am Bosporus

DOKUMENTARFILM / 2001 / 86 MIN.

Foto: Standbild aus dem Film


„Zuflucht am Bosporus“ erzählt das Leben von zwei in Istanbul lebenden deutschen Flüchtlingskindern in der Nazizeit, einem weniger bekannten Kapitel in der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder.

Im Herbst 1933 flüchtet eine beträchtlich Anzahl Oppositioneller, darunter jüdische Professoren, Wissenschaftler und Künstler, mit ihren Familien nach Istanbul und Ankara. Die kemalistischen Republikgründer benötigten Gelehrte zur Vervollständigung ihrer Revolution, die vor den Nazis fliehenden Akademiker einen Zufluchtsort. So entsteht eine „Liebe auf den ersten Blick“. Über 800 deutsche Flüchtlinge haben die Kriegsjahre in der Türkei verbracht. Darunter Komponisten wie Paul Hindemith oder Stadtplaner Ernst Reuter, der 1948 zum Bürgermeister West-Berlins gewählt wird. Die politisch verfolgten Deutschen in der Türkei haben Privilegien, verdienen reichlich und sind geachtet. Nicht zuletzt spielen sie eine erhebliche Rolle beim Aufbau eines modernen Erziehungswesens in der Türkei, insbesondere in der Medizin, dem Rechtswesen, der Architektur und der Kunst. 

Beruhend auf diesem Hintergrund, erzählt „Zuflucht am Bosporus“ das Leben seiner Hauptprotagonist*innen: Adelheid Scholz, die zur Zeit der Dreharbeiten 75 Jahre alt ist und Cornelius Bischoff, der sein 73. Lebensjahr vollendet. Angekommen in Istanbul – ein großer, faszinierendes Abenteuerplatz für beide Kinder – besucht Adelheid dort die deutsche, Cornelius die österreichisch-katholische Schule. 

Adelheids Vater, Prof. Gerhard Kessler ist Volkswirt und wird an die Istanbuler Universität berufen. Dort legt er die Grundlagen für ländliche Kooperativen in der Türkei und trägt maßgeblich zur Gründung moderner Gewerkschaften im Lande bei. Derweil geht jedoch seine Familie zu Bruch. Seine Frau wird bettlägerig, Adelheids größere Schwester kehrt nach Deutschland zurück und wird BDM-Funktionärin. Danach organisiert sie zusammen mit Diplomaten der Nazis in Istanbul die „Befreiung“ Adelheids und ihrer Mutter – die zwei Söhne der Familie waren entschiedene Gegner des Naziregimes. Die drei Frauen kommen am 1. September 1939 in Deutschland an, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Cornelius erfährt erst in der Türkei, dass seine Mutter Jüdin ist. Sein Vater, ein sozialdemokratischer Zimmermann, arbeitet in Istanbul in einer Werft. Wie Cornelius darstellt, ging es der Bischoff Familie bestens: „Die Welt steht in Flammen. Während überall auf der Welt Menschen starben, haben wir uns am Bosporus vergnügt“. Nachdem die Türkei, ihrem einstigen Verbündeten Deutschland 1944, nach langem Zögern, den Krieg erklärt, müssen alle deutschen Staatsbürger, darunter die Bischoffs, in die Internierung in den Steppen Anatoliens.

Auch die Nachkriegserlebnisse von Adelheid und Cornelius und filmische Begegnungen mit ihrem Nachwuchs ergeben: „Einmal Exil, immer Exil“.

BUCH UND REGIE

Nedim Hazar Bora

KAMERA

Pavel Schnabel

PRODUKTION

Troja Film Produktion, ZDF, Goethe Institut

AUSSTRAHLUNG

3Sat, CNN-Türk

FESTIVALS

Frankfurt Film Festival 

Istanbul - 1001 Documentary Film Festival

Jerusalem Film Festival

Samos Film Festival

Nürnberg - Deutschland-Türkei Film Festival

Boston Türkisch Film Festival


Adelheid Scholz

(1926 -2015)

Nach dem Krieg kehrte Adelheid zurück zu ihrem Vater in der Türkei und absolvierte dort eine Krankenschwester Ausbildung. Jahre später ließ sie sich in Aachen nieder. Ihre Erlebnisse beeinflusste das Werk ihrer Tochter, Bildhauerin Brele Scholz.

Cornelius Bischoff

(1928 -2018)

Cornelius studierte Jura und schrieb Drehbücher in Hamburg. Bekannt geworden ist er durch seiner Übersetzungen der Romane des türkisch-kurdischen Schriftstellers Yaşar Kemal ins Deutsche. Einen Teil seiner Familie lebt heute in Istanbul.


Presse

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