Singen mit Zeki Müren

AUS „LIEDER UND GESCHICHTEN IM TRANSIT“

Text: Nedim Hazar / Regie: Heinz Kloss

Kölner Chor für türkischer Musik und Nedim Hazar, Volksbühne am Rudolfplatz Köln, 2019.
Foto: Hakan Güzey.


Eine Theaterszene über den verstorbenen türkischen Sänger Zeki Müren aus der Musik Revue „Lieder und Geschichten im Transit“.

Üsküdara Giderken - der bekannteste türkische Song aller Zeiten, meine Damen und Herren. Und ich? Ich hab mich von meinem Idol inspirieren lassen. Zeki Müren. Und habe mich entsprechend angezogen. 

In dem Stück ging es um eine reiche, starke Frau aus Üsküdar. Sie macht einen jungen Stadtbeamten an, beschreibt sein Jackett, sein frisch gebügeltes Hemd, überreicht ihm eine türkische Süßigkeit - Lokum- in ihrem Taschentuch.

Zeki Müren sang das Lied aus Sicht der Schwulen. Ein Filou in Üsküdar, der sein Schwulsein nicht geoutet hat, macht einen jungen Stadtbeamten an, beschreibt sein Jackett, sein frisch gebügeltes Hemd, überreicht ihm Lokum in seinem Taschentuch.

Zeki Müren war die Mampe in Person. Der bekannteste und beliebteste schwule Sänger der Türkei. In der Türkei werden Schwule, Lesben, Transgender heute viel schlimmer als früher, verfolgt, ausgeschlossen, erniedrigt, gedemütigt, gelyncht. Aber nicht Zeki Müren.

Zeki Müren war die “Sanat Güneşi”, die “Sonne der Kunst” der Türkei. Er wurde liebevoll “Pascha” genannt. Sein Begräbnis glich einem Staatsbegräbnis mit zehntausenden Männern und Frauen und der türkischen Flagge auf seinem Sarg. Der damalige Staatspräsident Demirel verkündete „Er war mein Freund“ und der Generalstabschef ließ ausrichten „Zeki Müren hat sein Vaterland geliebt.“ Wie das? Weil er sowohl mit Politikern als auch mit hohen Offizieren vögelte. Die Liste seiner Affären mit Prominenten outet sein Lebensgefährte bis heute nicht. Es ist eben so: Hat Mann die aktive Rolle beim Sex, ist es koscher in der Türkei, nur der passive Mann gilt als schwul. Laut seinem Partner war Zeki mal so, mal so…

Schade, dass er nicht mehr lebt. Die türkische Politik wäre viel sanfter, lässiger. Wäre Zeki Müren noch am Leben, wäre die Türkei heute schon längst in der EU.

Zeki Müren war immer geschminkt, immer androgyn gekleidet. Er trat auch in Minirock auf. Ich hab’s selbst erlebt, als ich klein war in Ankara. 1965 hielt er Matinee-Konzerte im Stadtpark. Alle Frauen Ankaras waren hinter ihm her. Wie Beatles-Fans in England. Auch meine Mutter war verrückt nach ihm. Sie nahm mich mit zum Konzert. Das ist eine wahre Geschichte, wie alle Geschichten heute Abend. Sie wollte, dass ich mit Zeki Müren zusammensinge.

Als Zeki Müren sich nach einem Lied gerade verbeugte, schubste mich meine Mutter nach vorne. 

„Na wer bist du, denn? Schau, ich trage ein Römergewand, wie Julius Cäsar.“

Das Publikum -alle Hausfrauen Ankaras- lachte. Er streckte seine Hand aus und zog mich auf die Bühne.

„Wie heisst Du?“ 

Meine Mutter wollte, dass ich singe. In dem Moment dachte ich, jetzt singst du. “Ich heisse Nedim

und ich möchte mit Ihnen singen.” 

„Harika! Harika!“ Das heisst: Wunderbar. „Was singen wir denn?“

Ich ging damals in die französische Kita und konnte nur ein Lied:

Frère Jacques, Frère Jacques,
Dormez-vous, dormez-vous? 
Sonnez les matines, Sonnez les matines, 
Ding ding dong, ding ding dong. 

(…)

Die schönen Zeiten der Republik Türkei.

(…)

Vor einigen Jahren hackten sich Unbekannte in das Zentralsystem für den islamischen Gebetsruf der Stadt Rize am Schwarzmeer ein - der Geburtsort von Erdogan. Statt eines Gebetsrufes erklangen von über 170 Minaretten der Stadt für drei Minuten ein Lied von Zeki Müren.


(*) Archivfotos aus dem Buch „İşte Benim Zeki Müren“ - Yapı Kredi Yayınları, 2015

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